Auf der Suche nach einem Rezept für Faschingskrapfen, die ich heute noch auf dem Holzherd brutzeln sehen möchte und mit denen ich auch euch hier eine Freude bereiten möchte, bin ich auf Louise Seleskowitz und ihr "Wiener Kochbuch" gestoßen. Gottseidank verstanden schon meine Vorfahren, in diesem Fall meine Großmutter, die Kochkunst und dank meiner Mutter befindet sich dieser Schatz in unserem Kochbuchregal. Eine echte Schatzkiste!
Louise (Aloisia) Seleskowitz (*1830; + nach 1899) war Kauffrau und Kochbuchautorin. Es scheint als sei dieses "Wiener Kochbuch" ihr berühmtestes oder gar ihr einziges Werk, ich konnte zumindest kein anderes Exemplar finden. Hier seht ihr das Titelbild der 19. Auflage 1922. Ich nehme an, die kleine Büste im oberen Drittel des Bildes stellt die Köchin selbst dar. Ansonsten schmücken das Bild zwei Engel, der links Stehende hebt einen Gugelhupf in die Höhe, der rechte trägt einen geschlachteten Vogel unterm Arm und ein lebendes Vögelchen auf der Schulter. Zwischen den Engeln befinden sich verschiedene tote aber noch unverarbeitete Tiere. Ungerupft und ungegart. Von rechts nach links: Jeweils ein Karpfen, Hummer, Kapaun, Hase und Taube. Hinter den Tieren ragt eine mehrstöckige Schale, prall gefüllt mit Obst und Gemüse, in die Höhe. Helfen ihr die Engel beim Verarbeiten der dargestellten Rohstoffe? Zumindest hoffe ich, dass sie nach getaner Arbeit ihren grimmigen Gesichtsausdruck im Portrait ablegen und über ihr schönes Lebenswerk glücklich sein konnte. Dann haben diese beiden Engel ihr Werk getan.
Ungewöhnlich für diese Zeit, machte sie sich als Frau selbstständig und führte eine Delikatessen- und Weinhandlung mit Speiselokalität auf der Freyund in Wien 1. Dort leitete sie auch das "1. Wiener Kochlehr-Institut"
Das Wiener Kochbuch wurde bewundernswerte 20 mal in 44 Jahren aufgelegt und mehrfach ausgezeichnet. Sogar während des 1. Weltkriegs erschien 1916 eine Auflage. Diese 17. Auflage war den damaligen Umständen nicht angepasst, trotz allen Elends war es eine Anleitung zur Zubereitung exquisiter Gerichte.
Ich bin im Besitz der 19. Auflage (1922), die von Hedwig Schuller "durchgesehen und vermehrt" wurde.
Vorwort zur ersten Auflage.
Wenn ich in Anbetracht der vielen und so verschiedenartigen deutschen Kochbücher es unternehme, ein neues und, wie schon der Titel besagt, ein Kochbuch für die allseitig anerkannte Wiener Küche herauszugeben, so hat mich einerseits die Annahme, daß ein den Anforderungen der Neuzeit entsprechendes, verständliches und verläßliches Kochbuch immer eine willkommene Erleichterung auf diesem Gebiete sein wird, in meinem Vorhaben bestärkt, andererseits hat das, infolge oftmaliger Aufforderung, ein solches Buch zu schreiben, meinen zahlreichen Schülerinnen schon vor Jahren gegebene und oft wiederholte Versprechen mir die Herausgabe dieses Buches geradezu zur Pflicht gemacht.
Ich habe in diesem Buche nicht nur einen großen Teil meiner eigenen, während meiner nahezu dreißigjährigen Praxis gemachten Erfahrungen und Versuche, sondern alles auf diesem Gebiete Notwendige und Wissenswert, so gut und so weit es mir nur immer möglich war, der Allgemeinheit zugänglich gemacht. Sollte das Buch dennoch eine Lüge zeigen, so möge zu meiner Entschuldigung dienen, daß es kaum möglich ist, auf dem so weiten Gebiete der Kochkunst Vollkommenes zu leisten.
Daß ich bei der Aufstellung der Rezepte mehr der größtmöglichen Richtigkeit, Deutlichkeit und Verständlichkeit als einem schönen Stile mein Augenmerk zuwendete, werden die geneigten Leserinnen, wenn sie den Wert eines Kochbuches in Betracht ziehen, mir gewiß gerne verzeihen.
Um den Anforderungen, welche an ein solches Buch gestellt werden, in jeder Hinsicht gerecht zu werden, bin ich bei der Zusammenstellung desselben in der Weite vorangegangen, daß das Buch sowohl als Lehrbuch für Anfängerinnen wie auch als Nachschlagebuch für praktische Frauen dienen kann.
Einem beinahe in allen Kochbüchern vorhandenen Überstande in der quantitativen Aufgabe habe ich dadurch abgeholfen, daß ich alle Rezepte - mit Ausnahme derjenigen, bei denen ausdrücklich eine andere Angabe gemacht ist - für acht bis zehn Personen berechnet habe. Es ist daher sehr leicht, für vier bis fünf Personen mit der Hälfte oder für sechzehn bis zwanzig Personen mit dem Doppelten der angegebenen Masse zu kochen.
Bevor eine Speise gekocht wird, soll vorerst das ganze Rezept genau durchgelesen und dann erst Punkt für Punkt genau befolgt werden. Wer in dieser Weise vorgeht, kann des Gelingens einer jeden, selbst sehr schwer zu bereitenden Speise, sicher sein. Für alle besonderen Fälle sind bei den betreffenden Rezepten Anleitungen oder aber, wo eine größere Aufmerksamkeit erforderlich ist, Anmerkungen beigedruckt.
Daß ich mir erlaube dieses Buch meinen ehemaligen Schülerinnen zu widmen, möge ein Beweis der Achtung und Freundlichkeit sein, mit denen ich ihrer stets gedenke.
Wien, im November 1879
Louise Seleskowitz
Vorwort der neunzehnten Auflage.
Die neunzehnte Auflage dieses so bewährten und stark begehrten Kochbuches wurde von mir auf das sorgfältigste durchgesehen, Veraltetes gestrichen und Neues hinzugefügt, so daß das Buch durch mehr als 220 erprobte und empfehlenswerte Rezepte bereichert erscheint. Bei den Neueinschaltungen legte ich in erster Linie Gewicht darauf, die herrschenden Ernährungsverhältnisse ins Auge zu fassen. Da das Gemüse in der jetzt so fleischarmen Zeit einen Hauptbestandteil der meisten Mahlzeiten bildet, fügte ich eine große Anzahl verschiedener Zubereitungsarten desselben bei, die eine angenehme Abwechslung in so macnchen eintönigen Speisezettel bringen werden. Der reichliche Genuß von Gemüse ist auch aus Gesundheitsgründen sehr zu empfehlen, insbesondere die grünen Gemüse wie auch die verschiedenen Hülsenfrüchte enthalten vorzügliche Nährstoffe, ebenso einen reichlichen Gehalt an blut- und säftebildenden Stoffen,. Der jetzt stärkeren Heranziehung von Maismehl, Maisgrieß, Haferreis, Hirse und groben Rauben (Rollgerste) zu Kochzwecken, die früher nur wenig oder gar keine Beachtung fanden, wurde durch einige gute Rezepte Rechnung getragen.
Eine reichere Ausgestaltung widmete ich auch dem Abschnitt über Fische, insbesondere den Seefischen, da ihnen wohl eine größere Bedeutung für die Ernährung in nächster Zeit beigemessen werden dürfte.
Wien, im Oktober 1919
Hedwig Schuller.
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